Unterrichtsmaterialien kommt in der Schule eine Schlüsselrolle zu: Als materielle Ressourcen sind sie unumgängliche Mittel, die nicht nur die im Unterricht zu behandelnden Gegenstandsbereiche oder Themen, sondern vor allem auch die Didaktik massgeblich bestimmen. Ihnen liegen ein jeweils spezifischer Gegenstandsbegriff sowie ein spezifisches Lern- und Vermittlungsverständnis zugrunde. Lehrmaterialien bestimmen damit nicht nur die Terminologie, die Herangehensweise, das Üben und Vertiefen von Lerngegenständen, sondern auch die Art ihrer Beurteilung und ihres Prüfens. Unterrichtsmaterialien kommt damit eine nicht zu unterschätzende Rolle der Schul- sowie Unterrichtsentwicklung zu. Sie sind Mittel der Unterrichtssteuerung, zu denen sich die Lehrperson mit ihrem an der pädagogischen Hochschule erworbenen Professionswissen in irgendeiner Weise zu positionieren und zu verhalten hat.
Leseforum widmet die vorliegende Nummer also der didaktischen Materialität bzw. der materialisierten Didaktik und möchte ihre Rolle in der Literalitätsförderung im Unterricht ausleuchten. Wir fragen danach, wie Lehrmittel und andere didaktische Artefakte im Unterricht zum Tragen kommen. Mehr
Ein Schwergewicht liegt auf der Schuleingangsstufe: Romina Schmidt-Drechsler, Susanne Riegler und Mascha Berbig untersuchen aus praxistheoretischer Perspektive, wie Anlauttabellen im Anfangsunterricht eingesetzt werden. Kristina Strozyk nimmt mit einem Design-Based Research-Ansatz das Pretend Reading zur Sprachförderung in den Blick und fokussiert dabei insbesondere den Mustergebrauch. Anne-Claire Blanc, Virginie Degoumois, Claire Detcheverry und Kelly Moura befassen sich mit der Vielfalt der Lehrmittel für den Erstleseunterricht und analysieren bei Lehrpersonen im Kanton Waadt das Nebeneinander der etablierten und der neuen Westschweizer Lehrmittel.
Verónica Sánchez Abchi und Murielle Roth stellen den kollaborativen Prozess der inhaltlichen Validierung von Aufgaben zur schriftlichen Produktion aus den kantonalen Prüfungen der verschiedenen Westschweizer Kantone vor, der es ermöglicht hat, Beurteilungsmaterialien für den Unterricht zur Verfügung zu stellen. Auch bei Ursula Käser-Leisibach und Claudia Zingg-Stamm stehen Aufgaben im Zentrum. Die beiden Autorinnen stellen differenzierende Audio-Aufgaben zum (bildungssprachlichen) Hörverstehen vor, die Schüler:innen der ersten bis dritten Klasse individuell über QR-Codes zugänglich sind.
Um zu zeigen, wie Mehrsprachigkeit als Ressource in den Unterricht integriert wird, präsentiert und kontextualisiert Andrea Quesel-Bedrich Unterrichtsvorschläge zu mehrsprachigen Bilderbüchern, die Studierende an der PH FHNW entwickelt haben.
Zwei Artikel gehen der Frage nach, wie didaktische Modelle wertvolle Ressourcen für den Unterricht sein können: Verónica Sánchez Abchi, Virginie Conti und Jean-François de Pietro zeigen, wie ihre didaktischen Modelle, die sie im Rahmen der Konzeption neuer französischsprachiger Lehrmittel für die Westschweiz entwickelt haben, zur Erarbeitung von Unterrichtsvorschlägen und -materialien genutzt werden können. Rico Cathomas und Andrin Büchler stellen die Didaktik aus der rätoromanischen Lehrmittelreihe «Mediomatrix» vor und dokumentieren am Beispiel des «Wortartenbaums» ihr Modell des Sprachgartens.
Simone Fornara berichtet aus dem Projekt «Sgrammit. Scoprire la grammatica dell'italiano», das darauf abzielt, Primarschulkinder in der italienischen Schweiz zur Entdeckung der Grammatik und zum Nachdenken über die Sprache anzuregen.
Schliesslich untersucht Sylvie Tinembart aus historischer Perspektive, wie das «Schulbuch» im 19. und 20. Jahrhundert in den Waadtländer und Westschweizer Schulen zum Erwerb von literaler Kompetenz beigetragen hat.
Esther Wiesner und Murielle Roth