Identität und Literalität
Identität ist ein komplexes Konzept mit vielfältigen disziplinären Bezügen. Sie wird übereinstimmend als ein dynamischer und kontinuierlicher Prozess der Selbst-Konstruktion verstanden. Dabei orientieren sich Individuen an Identifikationsangeboten, bringen ihr Selbstverständnis zum Ausdruck und erfahren individuelle und gesellschaftliche Resonanz – sich selbst, anderen Individuen, bestimmten Gruppen oder der Öffentlichkeit gegenüber. Diese Selbst-Konstruktion ist dabei immer geprägt von sozialen und kulturellen Normen.
Literalität spielt bei der Herausbildung von Identität in einer Schrift- und Mediengesellschaft eine herausragende Rolle. Beim Lesen und Schreiben setzen sich Individuen mit dem Wissen, den Werten, der Ästhetik ihrer Lebenswelten auseinander. Sie kommunizieren mit anderen Individuen und erfahren dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Sie identifizieren sich mit sozialen Gruppen oder grenzen sich von ihnen ab. Durch den Vollzug literaler Praktiken finden und entwickeln sie ihre Sichtweisen und ihr Selbstverständnis.
Auch soziale Gruppen stellen sich mittels Schrift und anderen medialen Ausdrucksformen öffentlich dar. Sie bieten dem Individuum Identifikationsmöglichkeiten an und entwickeln in Diskursen ihre Gruppenidentitäten. Dabei entstehen Grenzlinien, die Zugehörigkeit und Ausschluss erzeugen. In einer durch vielfältige Differenzkategorien geprägten Welt stellt sich die Frage, wie sich Identitätsbildung jenseits von Ungleichheitsmechanismen vollziehen könnte. Mehr
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Identitätsorientierter Literaturunterricht
Theoretische Modellierung und empirische Befunde im Horizont funktionaler und personaler literarischer BildungIm Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht das Konzept des identitätsorientierten Literaturunterrichts. In Abgrenzung zu identitären und identitätspolitischen Verzerrungen im Begriffsgebrauch werden zunächst theoretische Grundlagen mit Blick auf den wissenschaftlichen Identitätsdiskurs zur Darstellung gebracht und der Zusammenhang von Identität, Literatur und Unterricht in einem ersten Zugriff reflektiert (1). Daran schliesst sich eine akzentuierte Aufarbeitung grundlegender Ansatzpunkte identitätsorientierten Literaturunterrichts an: literarisches Verstehen, sprachlich-literarische Produktion und ästhetische Erfahrung. Erläuterungen zum unterrichtspraktisch zentralen Drei-Phasen-Modell schliessen sich im Horizont funktional und personal ausgerichteter Bildungsprozesse an (2). Vor diesem Hintergrund werden erste Ansätze zu einer empirischen Überprüfung des Konzepts des identitätsorientierten Literaturunterrichts im Rahmen der ÄSKIL-Studie vorgestellt (3) und weiterer Forschungsbedarf reflektiert (4).
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Identität und Literalität im Kontext sprachlicher Vielfalt
Eine Spurensuche in autobiografischen Texten angehender Kindheitspädagog:innenDie Ausbildung von Identität vollzieht sich in einem Netz vielfältiger Beziehungen; ebenso vielfältig sind die Formen, in denen Identität zum Ausdruck kommen kann. Literalität ist einer der Aspekte, die zur Ausbildung von Identität beitragen und in denen Identität sich ausdrücken kann. Zu den Aufgaben von Kindheitspädagog:innen gehört es, die ihnen anvertrauten Kinder in Hinblick auf ihre Identitäts- und Sprach(en)entwicklung einschliesslich ihrer Literalitätsentwicklung zu unterstützen. Als Vorbereitung auf diese Aufgabe setzen sich angehende Kindheitspädagog:innen an der Evangelischen Hochschule Berlin mit ihrer eigenen Literalität auseinander und verfassen zu diesem Zweck autobiografische Texte. Im vorliegenden Beitrag werden studentische Antworten auf die Frage untersucht, was und wie sie in welcher Sprache lesen und schreiben. Im Fokus stehen damit ihre aktuellen Literalitätspraktiken, die aus ihren bisherigen Literalitätsbiografien resultieren und den Hintergrund für Ihre pädagogische Arbeit bilden.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Gestaltung von Intersubjektivität als narrative Identitätsarbeit in sozialen Medien
In diesem Artikel wird der Frage nachgegangen, wie durch Intersubjektivität in sozialen Medien narrative Identitätsarbeit geleistet wird. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass autobiografische Narrationen einen wesentlichen Teil der narrativen Identitätsarbeit ausmachen, da die Erzählpraxis einen grossen Teil menschlicher Lebenswelten darstellt. Aus psycholinguistischer Perspektive wird die Gestaltung von Intersubjektivität sowohl in einer soziologischen als auch einer psychologischen Dimension beleuchtet, d.h., Narrationen stellen eine Schnittstelle zwischen Individuen dar, betonen das Individuum also in seinem sozialen Kontext, und verweisen jeweils auch auf das Individuum selbst. Neben der Verständigung dienen Narrationen auch der Dar- und Herstellung von Ich-Identität. Diese Aushandlung von Ich-Identität wird anhand einer hermeneutischen, psycholinguistischen Analyse einer Chatkommunikation illustriert. Es wird gezeigt, wie sich in der intersubjektiven Aushandlung in sozialen Medien sowohl individuelle als auch gruppenspezifische Aspekte der Ich-Identität widerspiegeln.
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Fokusartikel | aus der Praxis
Was ist deine Erzählung?
Der Text, eine Reflexion über das Schreiben als Weg zur Identitätsfindung, erzählt über persönliche Erinnerungen und Erfahrungen, wie die Autorin ihren eigenen Ausdruck und ihre eigene Sprache entdeckt. Es wird die Frage aufgeworfen, woher die Erlaubnis und die Unterstützung kommt, in einer eigenen Sprache zu schreiben. Dabei wird auch der Weg die syrische Autorin Lubna Abou Kheir erzählt, die als Erwachsene in die Schweiz kommt und bald darauf beginnt, auf Deutsch zu schreiben, sich selbst die Erlaubnis gebend, bevor die Gesellschaft sie ihr gegeben hat. In der Reflexion geht es auch um die Bedeutung der Herkunftssprache, der gebrochenen Sprache und der literarischen Sprache. Was ist die eigene Sprache? Was ist die eigene, persönliche Erzählung? Begegnung, Mentoring und Gemeinschaft in der Literatur werden ebenfalls thematisiert, als zündendes Element zu den gestellten Fragen.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Schreiben als Aufhänger für die Welt
Das Schreiben über sich selbst ist ein Rahmen für die Auseinandersetzung mit dem eigenen Identitätsgefühl. Es generiert Bedeutungen, mit denen man leben oder sich anderen gegenüber zeigen kann, oder es kuriert innere Wunden, die noch nicht verheilt sind. Es bildet damit einen Raum der Weitergabe und der Versöhnung.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Lesen, reflektieren und sich selbst konstruieren: ein Weg, um die Herausforderungen des Berufs zu überwinden?
Die Autorinnen unterrichten im Rahmen des CAS GeFo, einem Bildungsprogramm für Schulleitungspersonen im Kanton Tessin. Anhand ihrer jeweiligen Forschungsarbeiten zeigen sie auf, wie das Lesen und Produzieren von Erzählungen zu beruflichen Herausforderungen zur Konstruktion ihrer beruflichen Identität beitragen. Sie beleuchten auch den Einfluss der Literatur und generell der Kunst als Anlass und Mittel, um Herausforderungen, die sich im Laufe einer beruflichen ergeben, zu erleben, anzugehen und schliesslich zu überwinden.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Sich über das geschriebene Wort (weiter)bilden?
Unsere Hauptforschungsfrage lautet: Wie sehen Studierenden im ersten Semester die Bedeutung von Geschriebenem für die Konstruktion ihrer Identität? Dabei geht es um die Rezeption (Lesen) und Produktion (Schreiben) von Texten. In einer kombinierten quantitativen und qualitativen Umfrage wurden mehrere hundert Studierende befragt, die an drei belgischen Universitäten und in unterschiedlichen Studiengängen eingeschrieben sind. Die Antworten der Studierenden bezogen sich teils beiläufig, teils explizit auf den Zusammenhang zwischen Schrift und Identität. Im Fokus der Analysen standen die Vorstellungen der Studierenden zu diesem Zusammenhang. Die Aussagen der Studierenden lassen unterschiedliche und möglicherweise differenzherstellende Beziehungen zum Geschriebenen erkennen.
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Fokusartikel | aus der Praxis
Schreiben um die eigene berufliche Identität als Schulbibliothekar:in zu definieren: eine Fallstudie
Dieser Beitrag beleuchtet das reflexive Schreiben im Rahmen einer zertifizierten Weiterbildung für Schulbibliothekar:innen im Kanton Waadt. Die Fallstudie basiert auf der Analyse von schriftlichen Aufzeichnungen, die von den Studierenden zu Beginn, in der Mitte und am Ende der Ausbildung erstellt wurden. Die Analyse dieser Schreibprodukte gibt uns Einblicke, wie die Studierenden ihre berufliche Identität definieren und wie sie sich ihre zukünftige berufliche Entwicklung vorstellen. Beim gemein-samen Analysieren zeigten im Lehrgangsteam neue Wege, um die Wirkung der Ausbildung auf die beruflichen Identität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu verstärken. Konkret schlagen wir einen Leitfaden mit Fragen vor, der eingesetzt werden kann, um Bibliothekar:innen wie auch andere Lernen-de in der Erwachsenenbildung durch reflexives Schreiben bei der Entwicklung ihrer beruflichen Identität zu begleiten.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Die Prägung durch Märchen im Laufe des Lebens
Märchen schleichen sich von Kindheit an in unser Leben ein. Sie sind Teil unseres traditionellen oder modernen Kulturerbes, erzählt, gelesen oder erfunden von anderen wie auch von uns selbst. Sie haben uralte Ursprünge und erzählen uns von einer Welt jenseits von Zeit und Raum, in der ganz gewöhnliche Figuren in aussergewöhnliche Situationen verwickelt sind. Die Bedeutung von Märchen in allen Kulturen ist aus diversen Blickwinkeln untersucht worden, und in vielen Studien wird ihre Bedeutung für die Erziehung von Erwachsenen wie auch für die Erziehung von Kindern betont. In diesem Beitrag wird die Bedeutung von (gehörten, gelesenen, erzählten oder erfundenen) Märchen für die Förderung der Lese- und Schreibfähigkeit und für die Identitätsentwicklung erwachsener Menschen untersucht, wobei die Einsichten der Fachliteratur mit den Ergebnissen aus der Analyse biografischer Interviews in Beziehung gesetzt werden.
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