Literalität und Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein fester Bestandteil unseres Alltags geworden. Wir nutzen Sprachassistenten und Suchmaschinen, Algorithmen schlagen uns Bücher vor, helfen Texte zu schreiben, zu verbessern, zu übersetzen oder sogar zu bewerten. Künstliche neuronale Netzwerke verarbeiten immer grössere Datenmengen, Maschinen lernen bei der Verarbeitung von Daten selbstständig dazu, sie erkennen zum Beispiel Regeln der Sprache und wenden sie an. Diese Entwicklungen war die Ausgangslage für die Planung eines thematischen Schwerpunkts zu «Literalität und KI» auf leseforum.ch.
In den zwei Jahren, die vom Nummernkonzept bis zum Erscheinen dieser Nummer verstrichen sind, hat sich unser Alltag mit KI rasant verändert. Nicht nur sind Chatbots wie ChatGPT, Google Bard oder Bing Chat in aller Munde, sie haben auch eine grosse Dynamik in den Bereichen Lesen und Schreiben in Forschung und Praxis ausgelöst. Laufend erscheinen neue empirische Forschungsarbeiten, KI ist längst in den Schulzimmern angekommen, sie wird als Werkzeug im Literaturunterricht genauso genutzt wie für Schreibprozesse.
Die vorliegende Nummer kann darum nicht mehr als eine Momentaufnahme bieten und einen Einblick in diese sehr lebhafte Diskussion. Und sie kann danach fragen, inwiefern das Konzept der Literalität im Zeitalter von KI noch Bestand hat, bzw., wie es modifiziert werden sollte. Mehr
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Literalität oder Digitalität? Sowohl als auch!
Überlegungen zu einer postdigitalen Deutschdidaktik am Beispiel des Lesens und Schreibens unter besonderer Berücksichtigung Künstlicher IntelligenzIn diesem Beitrag stelle ich vor dem Hintergrund der laufenden Debatte zur Orientierung der Deutschdidaktik an der Literalität oder Digitalität Überlegungen zu einer postdigitalen Deutschdidaktik am Beispiel des Lesens und Schreibens unter besonderer Berücksichtigung Künstlicher Intelligenz an. Dafür lege ich zunächst dar, dass sich in der Lese- und Schreibdidaktik aktuell die Paradigmen der Literalität und Digitalität gegenüberstehen und in beiden Paradigmen eine problematische anthropozentrisch-instrumentalistische Sicht auf den Computer vorherrscht. Nachfolgend konturiere ich mit Bezug zum Begriff Postdigitalität und der soziologischen Praxistheorie eine alternative Perspektive, aus der die Verwobenheit von Literalität und Digitalität und die Koaktivität von Mensch und Computer in den Blick kommt. Abschliessend schlage ich ein allgemeines Kompetenzziel vor, die postdigitale Kommunikationssouveränität, und formuliere eine Reihe theoretischer, methodischer und empirischer Anschlussfragen.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Literalität 3.0 – «AI Literacy» und «Linguistic User Awareness» für eine zukunftsfähige Bildung
Die Digitale Revolution war nur der Auftakt zur Revolution der Künstlichen Intelligenz (KI). Derzeit halten KIs rasant Einzug in alle unsere Lebensbereiche. In Schule und Universität besteht aber noch ein enormes Desiderat nach einem Unterricht, der adäquat auf die veränderten Anforderungen an Kompetenzen im Zeitalter von KI vorbereitet. Der Artikel führt in die Forschungsliteratur zu einer neuen Form der Literalität, nämlich KI-Literalität («AI-Literacy»), ein, die sich bislang vor allem auf die Zusammenstellung und Diskussion von relevanten Themen-Curricula konzentriert und erste Kurs-Entwürfe evaluiert. Daher setze ich den umfangreichen Themenkatalogen von u. a. Long & Magerko (2020) zu KI-Literalität die abstrakteren und dadurch wesentlich flexibleren Kategorien der Digitalen Literalität (per se) als komplexe, soziale Praktiken nach Knopf et al. (2020) entgegen und schlage passende KI-Kompetenzen vor, die sich in Analogie zu Knopf et al. ebenfalls in 5 Dimensionen darstellen lassen. Aus meiner (psycho-)linguistischen Grundlagenforschung leite ich ein weiteres besonders prominentes Desiderat nach einer zusätzlichen KI-Kompetenz ab, die bislang von der Forschungsliteratur nicht als separate Kompetenz herausgearbeitet wurde: die «Linguistische User:innen-Bewusstheit» oder «Linguistic User Awareness», die ich als neue Form der Sprachbewusstheit und reflexive KI-Kompetenz beschreibe. Wie «Linguistic User Awareness» im Unterricht eingeübt werden kann, wird abschliessend in Form von offenen Vorschlägen thematisiert.
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Fokusartikel | aus der Praxis
Bücher aus dem Textautomaten? Zum Stand des Büchermachens
Künstliche Intelligenz betrifft inzwischen auch das Schreiben und Illustrieren von Büchern. Mehr oder minder selbständig unterstützt KI schon jetzt das Schreiben von Sachbüchern und Literatur. Der vor-liegende Aufsatz untersucht den anstehenden Wandel im Literaturbetrieb und den damit einhergehenden Wechsel in den Rollen und Institutionen der Beteiligten. Er skizziert die jüngeren Entwicklungen, zeigt an Beispielen den gegenwärtigen Stand der technischen Möglichkeiten auf und blickt auf die kommenden Szenarien, wenn selbst kreative Prozesse von Maschinen übernommen werden.
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Fokusartikel | aus der Praxis
Mit KI übersetzen
Welche Folgen hätte der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) für das literarische Übersetzen? Nachdem die Herausforderungen des Übersetzens zwischen natürlichen Sprachen umrissen und die Versprechen der KI-Entwicklung beleuchtet sind, geht es um die Funktionsweise von Text-KI und die Frage, ob und wie maschinelle Übersetzungssysteme das originäre Übersetzerhandwerk beeinflussen und verändern könnten. Ein vom Autor mitinitiiertes Projekt zeigt, dass KI kein vollwertiger Ersatz für literarische Übersetzer ist und auch nur begrenzt als Hilfsmittel dienen kann. Die maschinelle Übersetzung erlaubt im Regelfall keine Zeit- und Kostenersparnis, wenn man nicht Einbussen bei der Verständnis- und Textqualität in Kauf nimmt. Auf breiten Einsatz drängt gegenwärtig weniger der aktuelle KI-Entwicklungsstand, als vielmehr eine spekulative Erwartungshaltung gegenüber der Technik.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Anschlusskommunikationen mit ChatGPT
Kann die Interaktion mit Künstlicher Intelligenz (KI) Schülerinnen und Schüler beim Verstehen literarischer Texte unterstützen?Im vorliegenden Beitrag wird erörtert, inwieweit die Interaktion mit der Künstlichen Intelligenz «Chat-GPT» Schüler:innen potenziell dazu befähigt, konstruktiv mit Literatur umzugehen. Theoretisch ist anzunehmen, dass künstliche Intelligenz eine Synthese zwischen instruktiven, durch fachliche Impulse gelenkten und stark individualisierten, auch sprachlich schülerzentrierten Gesprächsformen über Literatur herstellen könnte. Teilergebnisse einer qualitativen Rezeptionsstudie, in der Oberstufenschüle-rinnen und -schüler zu Franz Kafkas «Vor dem Gesetz» mit dem Chatbot interagierten, können hier erste empirische Befunde liefern.
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Fokusartikel | aus der Praxis
Schreiben mit KI-Tools
Digital unterstützte Schreibprozesse gestalten und begleitenDer folgende Aufsatz untersucht den Einfluss generativer KI-Tools auf Schreibprozesse und Schreibdidaktik. Er diskutiert die verschiedenen Funktionen des Schreibens und betont die Notwendigkeit, KI-Tools gezielt und bewusst in definierten Schritten des Schreibprozesses einzusetzen. Dabei zeigt sich, dass KI-Programme sowohl als Assistenten als auch als Schreibpartner fungieren können, wenn ihr Einsatz schreibdidaktisch begleitet und reflektiert werden. Abschliessend werden fünf Lernziele beschrieben, die Schreibenden helfen sollen, KI-Tools effektiv und verantwortungsbewusst zu nutzen: (1) Möglichkeiten und Beschränkungen von KI-Tools kennen, (2) Schreibprozesse mit KI gliedern und absichern, (3) Texte überarbeiten, (4) Promptdesign und (5) Metakognition und Ethik. Die Notwendig-keit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Technologie und die Wichtigkeit der Frage nach dem Wert des menschlichen Schreibens im Kontext der KI-Verwendung sind Konsequenzen dieser Überlegungen.
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Fokusartikel | aus der Praxis
Die Bibliothek als Schaltstelle des Lernens nutzen
Informationsspezialist:innen aus Quebec fördern das kritische Denken von Schüler:innen, wenn es um Informationskompetenz und die Ankunft von Chatbots wie CHAT GPT gehtMit dem Aufkommen künstlicher Intelligenz (KI) und dialogfähiger Roboter wird die Rolle von Bibliothekar:innen in interdisziplinären Teams noch wichtiger. Informationskompetenz heisst in diesem Kontext auch, mit den neuen Werkzeugen ethisch korrekt umgehen zu können, sie kritisch zu reflektieren und das Urheberrecht zu respektieren. Allerdings sind Lehrpersonen in Quebec nur unzureichend darauf vorbereitet, ihren Schüler:innen diese Kompetenzen zu vermitteln. Einige Instrumente und Ressourcen sind zwar vorhanden, aber offizielle, vom Bildungsministerium verabschiedete Leitlinien zur Vermittlung von Informationskompetenzen fehlen. Es ist der persönlichen Initiative von Bibliothekar:innen, Dokumentalist:innen und Spezialist:innen für Informationswissenschaften zu verdanken, dass dennoch verschiedene Initiativen in Gang gesetzt werden konnten, um diesen Bereich des Lernens für eine verantwortungsvolle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu unterstützen. Das Fehlen von spezialisiertem Bibliothekspersonal, der Mangel an Lehrkräften und zu wenig funktionstüchtige technische Hilfsmittel stellen erhebliche Hindernisse dar, die aber durch die Zusammenarbeit mit anderen Akteur:innen aus der Schulgemeinschaft überwunden werden können. Die Autor:innen schlagen beispielsweise vor, in den Schulen interdisziplinäre Teams zu bilden – zusammengesetzt aus verschiedenen Fachpersonen, Eltern und Interessierten –, die über die Nutzung von schulischen Gemeinschaftsräumen nachdenken, einschliesslich der Bibliothek als Schaltstelle des Lernens. Denn die Schulbibliothek ist ein Ort, in dem der Austausch von Werkzeugen und Materialien einfach möglich ist. Sie verfügt über eine Netzwerkinfrastruktur und technologische Hilfsmittel und verschiedene Arbeitsbereiche. So bieten Bibliothekar:innen des Centre de services scolaires in Montreal in Zusammenarbeit mit Fachleuten und Partner:innen interdisziplinäre Bildungsworkshops an, die sich an Schüler:innen und Lehrpersonen richten und unter anderem auf die Entwicklung von Informationskompetenz abzielen, inklusive KI-Bildung.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Reading literacy und KI: Lesen im digitalen Zeitalter
Der Beitrag befasst sich mit der Beziehung zwischen Lesen und digitalen Anwendungen, mit besonderem Augenmerk auf die Lesekompetenz im Zusammenhang mit den jüngsten Entwicklungen im KI-Bereich. Der Text öffnet sich ausserdem in Richtung einer breiteren Diskussion über die Auswirkungen der Verwendung digitaler Instrumente auf die für das deep reading grundlegenden kognitiven Verstehensprozesse.
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Ziel der Verfasser:innen ist es, durch Denkanstösse das Bewusstsein darüber zu erhöhen, welche Möglichkeiten KI in Bezug auf das Lesen und Verstehen von geschriebenen Texten bietet. Zugleich soll bewusst gemacht machen, dass die fragmentarischen Lesemodi und die kurzzeitige Aufmerksamkeit beim Lesen mit digitalen Medien tendenziell Veränderungen in der Konfiguration des menschlichen Gehirns befördern können.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
* « Littératie papier » ou « littératie numérique » ? Les deux !
Réflexions sur une didactique post-numérique de la langue première par rapport à la lecture et l’écriture, dans le contexte particulier de l’intelligence artificielle* Das ist die französische Übersetzung des Artikels «Literalität oder Digitalität? Sowohl als auch! ...» von Torsten Steinhoff
Dans le contexte du débat contemporain sur l’orientation de la langue première vers la « littératie papier » ou la « littératie numérique », cet article présente des réflexions sur une didactique post-numérique de la langue première à travers l’exemple de la lecture et de l’écriture, en accordant une attention particulière à l’intelligence artificielle. Il expose d’abord l’opposition actuelle, dans la didactique de la lecture et de l’écriture, entre le paradigme de la « littératie papier » et celui de la « littératie numérique », et leur domination par une vision anthropocentrique et instrumentaliste de l’ordinateur, qui s’avère problématique. Il se réfère ensuite à la notion de « post-numérique » et à la théorie sociologique de la pratique pour esquisser une perspective alternative montrant l’enchevêtrement des littératies « papier » et « numérique2 » ainsi que la coactivité entre l’être humain et l’ordinateur. Enfin, l’article propose un objectif de compétence général – la maitrise de la communication post-numérique – et formule plusieurs questions théoriques, méthodologiques et empiriques pour approfondir le sujet.
Weiterlesen im PDF * Dieser Text ist eine Übersetzung des Originalartikels, erschienen in 3/2023 (FR)
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
* Literacy o digitality? Entrambe!
Riflessioni su una didattica postdigitale della lingua di scolarizzazione sull'esempio della lettura e della scrittura con particolare riguardo all'intelligenza artificiale* Das ist die italienische Übersetzung des Artikels «Literalität oder Digitalität? Sowohl als auch! ...» von Torsten Steinhoff
In questo articolo vorrei presentare alcune riflessioni su una didattica postdigitale della lingua di scolarizzazione sullo sfondo del dibattito in corso sull'orientamento della didattica del tedesco alla literacy o alla digitalità, utilizzando l'esempio della lettura e della scrittura con particolare riguardo all'intelligenza artificiale. A questo scopo, spiegherò innanzitutto che i paradigmi della literacy e della digitalità sono attualmente contrapposti nella didattica della lettura e della scrittura e che in entrambi prevale una problematica visione antropocentrica-strumentale del computer. Di seguito, delineerò una prospettiva alternativa con riferimento al concetto di postdigitalità e alla teoria sociologica della pratica, da cui emerge l'interconnessione tra literacy e digitalità e la co-attività di uomo e computer. Propongo infine un obiettivo di competenza generale, la sovranità comunicativa postdigitale, formulando una serie di domande teoriche, metodologiche ed empiriche.
* Dieser Text ist eine Übersetzung des Originalartikels, erschienen in 3/2023 (IT)
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