Intertextualität, Intermedialität und Literalität
Intertextualität durchzieht das gesamte literarische und mediale Schaffen. Jeder Text steht in Beziehung zu anderen – sei es durch Anspielungen, Zitate oder Verweise auf bekannte Werke. Julia Kristeva und Gérard Genette haben diesen Begriff geprägt und gezeigt, dass Literatur nie isoliert existiert, sondern immer Teil eines größeren Netzwerks von Texten, Autor:innen und kulturellen Einflüssen ist.
Gerade in der Schule spielt Intertextualität eine wichtige Rolle: Sie hilft Schüler:innen, Texte in ihrem kulturellen und historischen Kontext zu verstehen und kritisch zu hinterfragen. Auch beim (schulischen) Schreiben ist Intertextualität zentral: Schüler:innen greifen beim Verfassen eigener Texte bewusst oder unbewusst auf bereits bekannte Geschichten, Motive oder Textstrukturen zurück. Dies fördert kreatives Schreiben, aber auch die kritische Auseinandersetzung mit Literatur. Gleichzeitig wirft es Fragen zur Originalität und zum kreativen Umgang mit Quellen auf. Mit Intertextualität eng verknüpft sind Phänomene der Intermedialität: Schriftliche Texte können in anderen Medien wie Film, Musik oder Kunst repräsentiert sein und mit diesen interagieren, was insbesondere auch in der Kinder- und Jugendliteratur relevant ist.
Diese Ausgabe von leseforum.ch widmet sich diesen Fragen und lädt dazu ein, Intertextualität und Intermedialität aus literaturwissenschaftlicher, didaktischer und medienbezogener Perspektive zu beleuchten. Mehr
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Intertextuelles Verstehen verstehen
Typen, Ebenen und Leistungen intertextuellen Kohärenzaufbaus: eine theoriebasierte Produktanalyse und ein ForschungsüberblickIntertextuelles Verstehen ist eine komplexe kognitive Aktivität, die von Leserinnen und Lesern diverse Leistungen und Repräsentationen verlangt. Neben einer inhaltlichen Repräsentation (inferenzbasierte Inhalt-Inhalt-Verbindungen) erfordert intertextuelles Verstehen zusätzlich, dass Personen die Ursprünge der Aussagen ko-aktivierend einerseits als eigenes Verstehensprodukt (Quelle-Quelle-Verbindungen) extrahieren und andererseits über Quelle-Inhalt-Verbindungen mit den Inhalten kombinieren. Intertextuelles Verstehen ist demnach als Netzwerk modellierbar. Dieser Beitrag entfaltet dies aus einer theoriebasierten Produktperspektive und charakterisiert ausgehend von der Dokumentenmodell-Typologie, welche Leistungen Personen aus theoretischer Warte erbringen müssen, welche Leistungen sie empirisch erbracht haben und welche Forschungsfragen derzeit offen sind.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
«auf jeden fall besser als wenn man es einfach so ließt»
Intermediale Optionen des Umgangs mit Balladen, am Beispiel «Der Zauberlehrling»Ein das Schriftmediale übersteigender hinausreichender Textbegriff ist mittlerweile auch in Bildungsvorgaben angekommen. Mit zu verdanken ist dies einer Literaturdidaktik, die seit den 1990er Jahren mit Nachdruck die Integration von weiteren Medien in den buchgeprägten Deutschunterricht betrieben hat. In den Fokus kam hierbei auch Intermedialität als über reine Intertextualität hinausgehendes Dachkonzept für verschiedenste Bezüge zwischen Medien. Literaturdidaktisch aufgegriffen wurden vor allem philologische Kategorien wie Plurimedialität, intermediale Referenz und Transposition sowie Transmedialität. Nach einer Erläuterung dieser Entwicklungen und Konzepte werden intermediale Optionen für den Umgang mit Goethes Ballade «Der Zauberlehrling» aufgezeigt. Von Belang ist dabei vor allem die vielfältige Präsenz des Textes in einer fast transmedial anmutenden Verbreitung. Transpositionen etwa in Bilderbüchern, Rezitationen und Filmen öffnen reichhaltige Möglichkeiten für einen Literaturunterricht, in dem nicht nur schriftliterarisch gelesen wird. Das intermediale Angebot zu «Der Zauberlehrlich» wird im Hinblick auf seine Potenziale für ein gegenstandsangemessenes literarisches Lernen (auch kritisch) reflektiert.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Von Hypotexten zum Fandom
Intertextualität und Fanfiction in produktionsorientierter PerspektiveDer Beitrag richtet sich auf den Zusammenhang von Intertextualität als Literaturtheorie und Fanfiction als kulturelle Praxis im digitalen Raum der Online-Plattformen. Er untersucht die didaktischen Potenziale von Fanfiction mit Blick auf intertextuelle Strategien. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit intertextuellen Beziehungen zwischen Ursprungswerken der Populärkultur und Fanprodukten sowie deren Relevanz für eine produktionsorientierte Schreibdidaktik.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Intertextualität in der Grundschule durch Kinderliteratur vermitteln: Anne, meine Schwester Anne, was siehst du kommen?
Dieser Artikel bietet eine thematische Analyse des Diskurses, der in Einzelinterviews von acht Primarschullehrpersonen in der französischsprachigen Schweiz zum Ausdruck kommt, die mit Schüler:innen im Alter von 4 bis 12 Jahren arbeiten. Wir untersuchen, ob bestimmte literarische Kulturreferenzen in einem Werk der Kinderliteratur als lehrbar gelten oder nicht. Die didaktischen Entscheidungen dieser acht Lehrpersonen werfen ein Licht auf die aktuellen Fragen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Intertextualität an junge Schüler:innen, insbesondere auf die spezifischen Fragen im Zusammenhang mit der Präsenz von Geschichten aus dem Kulturerbe in Bilderbüchern.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
Die Konzepte der Transtextualität und Amphitextualität zum Verständnis der Produktion von Schulliteratur
Der Fall des Tessins und der französischsprachigen Schweiz zwischen 1860 und 1930Dieser Artikel untersucht die Produktion von Schulliteratur anhand des anthologischen Lesebuchs, dem wichtigsten Mittel für den Zugang zu Literatur in Schulen. Zwei theoretische Konzepte leiten die Untersuchung der Konstruktion des literarischen Ansehens von Autor:innen im schulischen Kontext: die Transtextualität, die untersucht, wie sich das Lesebuch als Anthologie in Opposition zu bereits bestehenden Modellen entwickelt, und die Amphitextualität, die sich auf die Beziehung zwischen Autor:innen und Textauszügen bezieht, die auf derselben Seite oder im selben Abschnitt von Anthologien vorhanden sind. Die Studie verwendet eine historisch-didaktische Methodik sowie einen vergleichenden Ansatz auf zwei Ebenen: Einerseits werden Bildungsniveaus verglichen, wobei Schüler:innen desselben Alters, aber aus unterschiedlichen Schultypen (der oberen Abteilung der Grundschule und der unteren Abteilung der Sekundarschule) einbezogen werden; andererseits werden zwei Sprachgebiete der Schweiz analysiert: das italienischsprachige Tessin und die französischsprachige Schweiz (mit Schwerpunkt auf dem Kanton Genf) im Zeitraum von 1860 bis 1930.
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Fokusartikel | aus der Praxis
Lasst uns Geschichten in den Mittelpunkt stellen!
Seit 2018 entwickeln die Mediatheken der Haute École Pédagogique BEJUNE das Projekt «Geschichtenteppich», ein originelles textiles Hilfsmittel zur Förderung der Kinderliteratur im Klassenzimmer. Dieser Artikel erklärt das Konzept des Geschichtenteppichs, stellt das Angebot der Mediatheken der HEP-BEJUNE vor und blickt auf die bisherige Zusammenarbeit zurück, die Lehrkräften mögliche Nutzungsmöglichkeiten bietet, insbesondere für die Arbeit mit Intertextualität.
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Fokusartikel | aus der Praxis
Ein Sturm als Anlass: Vom antiken poetischen Text zu einer Schrift der intertextuellen Rezeption?
Die beiden Autorinnen dieses Beitrags führen seit mehreren Jahren gemeinsam ein Forschungsprojekt durch, das darauf abzielt, Schülerinnen und Schüler darin zu schulen, eine sensible literarische Lektüre eines lateinischen poetischen Textes vorzunehmen. Das didaktische Szenario umfasst mehrere Schritte: 1. Die Schülerinnen und Schüler analysieren die poetische Form und den Inhalt eines lateinischen Textes in der Originalsprache, in diesem Fall einen Auszug aus Buch 1 der Aeneis von Vergil; 2. Sie setzen den lateinischen Text in Resonanz mit einem modernen literarischen oder sonstigen Werk und dessen Ausdrucksmitteln - in diesem Fall ein Auszug aus E.E. Schmitts „Traversée des temps“; 3. Sie nutzen die im lateinischen Text und im anderen Werk erhobenen Kenntnisse und Fertigkeiten, um einen Text zur gleichen Thematik in der Schulsprache, in diesem Fall Französisch, zu erstellen.
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Der vorliegende Artikel stellt die folgende Frage: Können die von den Schüler:innen im letzten Schritt erstellten Texte als intertextuell betrachtet werden, da sie unter Bezugnahme auf andere Texte verfasst worden sind? Um diese Frage zu beantworten, klären die Autorinnen zunächst den Begriff der Intertextualität; dann fassen sie das didaktische Szenario zusammen, das zur Erstellung der Texte führt, die sie anschliessend auf Mikro- und Makrostrukturebene analysieren, um die intertextuellen Bezüge zu den beiden zuvor analysierten Texten zu bestimmen. Die Analyse zeigt, dass die Produktionen der Schülerinnen und Schüler als intertextuell bezeichnet werden können und dass sich das didaktische Szenario gut für die Ausbildung des intertextuellen Schreibens eignet, unabhängig von den beteiligten Sprachen.
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
*Arbeiten mit Modellen in Lehrmitteln
Zwischen fachdidaktischem Nutzen und fachwissenschaftlichen BedenkenEs wird davon ausgegangen, dass Lehrmittel den Lerngegenstand, das (Schul-)Fach, wesentlich mitde-finieren. Sie dienen aber auch der didaktischen Gestaltung und Steuerung von Unterricht und bieten den Lehrenden und Lernenden idealerweise eine effiziente Lehr- und Lernbasis. Ihre Realisierung ist geleitet von (funktionalen) Annahmen bzw. Konzeptionalisierungen wirkungsvoller Lehrmittel, die oft als (fach-)didaktische Modelle vereinfacht, strukturiert und visualisiert werden. Im Rahmen der neuen rätoromanischen Lehrmittelreihe Mediomatix wurden zwischen 2016 und 2024 die sogenannten «Qualitätsquadranten» und der «Sprachgarten» als fachdidaktische Modelle (weiter)entwickelt und einge-setzt. Im vorliegenden Aufsatz werden diese Modelle vorgestellt und die Implementierung des sogenannten «Wortartenbaum» als Teilmodell des Sprachgartens in den rätoromanischen Lehrmitteln prototypisch dokumentiert. Der Sprachgarten und der Wortartenbaum werden abschliessend aus fachwissenschaftlicher Perspektive kritisch diskutiert und im Hinblick auf ihren fachdidaktischen Nutzen auch für andere Sprachen evaluiert.
Weiterlesen im PDF * Dieser Text ist eine Übersetzung des Originalartikels, erschienen in 3/2024 (FR)
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Fokusartikel | aus der Wissenschaft
*Arbeiten mit Modellen in Lehrmitteln
Zwischen fachdidaktischem Nutzen und fachwissenschaftlichen BedenkenEs wird davon ausgegangen, dass Lehrmittel den Lerngegenstand, das (Schul-)Fach, wesentlich mitde-finieren. Sie dienen aber auch der didaktischen Gestaltung und Steuerung von Unterricht und bieten den Lehrenden und Lernenden idealerweise eine effiziente Lehr- und Lernbasis. Ihre Realisierung ist geleitet von (funktionalen) Annahmen bzw. Konzeptionalisierungen wirkungsvoller Lehrmittel, die oft als (fach-)didaktische Modelle vereinfacht, strukturiert und visualisiert werden. Im Rahmen der neuen rätoromanischen Lehrmittelreihe Mediomatix wurden zwischen 2016 und 2024 die sogenannten «Qua-litätsquadranten» und der «Sprachgarten» als fachdidaktische Modelle (weiter)entwickelt und einge-setzt. Im vorliegenden Aufsatz werden diese Modelle vorgestellt und die Implementierung des soge-nannten «Wortartenbaum» als Teilmodell des Sprachgartens in den rätoromanischen Lehrmitteln pro-totypisch dokumentiert. Der Sprachgarten und der Wortartenbaum werden abschliessend aus fach-wissenschaftlicher Perspektive kritisch diskutiert und im Hinblick auf ihren fachdidaktischen Nutzen auch für andere Sprachen evaluiert.
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«Ich sehe was, was du nicht siehst»
Eine Suche nach Spuren der Imaginationsbildung bei der Rezeption des Märchenbil-derbuchs Hänsel und Gretel von Grimm/Mattotti (2011)In dem Aufsatz geht es um die Frage, welche Imaginationsprozesse beim Vorlesen von Bilderbüchern in den Köpfen der Zuhörer:innen ausgelöst werden. Zur Beantwortung dieser Frage wird zunächst ein theoretischer Rahmen abgesteckt, in dem die wichtigsten Begriffe (Imagination, literarisches Lernen, Bildpräferenzen von Kindern, Vorlesen) geklärt werden, bevor im empirischen Teil des Aufsatzes die Beschreibung einer an einer Grundschule durchgeführten Studie im Mittelpunkt steht. Hier werden Vorlesegespräche daraufhin ausgewertet und untersucht, welche Spuren der Imaginationsbildung sich finden lassen, z.B. die emotionale oder assoziative Bildung von Vorstellungen.
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