Sprache wird selbstverständlich als Kommunikationsmittel verwendet, sie formt die Wirklichkeit sowie unser Denken. Sie kann allerdings auch Gegenstand der Reflexion sein. Von diesem Spannungsverhältnis ausgehend, widmet sich die vorliegende Ausgabe von Leseforum.ch der Sprachreflexion:
Das Reflektieren über Sprache und Sprachen ist zunächst Bildungsgut, befördert darüber hinaus aber auch den Erwerb von Bildungs- und ästhetischer Sprache. Sich sachbezogen angemessen ausdrücken zu können bzw. sachbezogene Sprache zu verstehen, ist grundlegend für schulischen Erfolg. Dazu gehört ebenso, sich an der Ästhetik von literarischen mündlichen und schriftlichen Texten zu erfreuen und Sprache zum Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit Literatur zu machen. Mehr
Die vorliegende Nummer wirft in erster Linie die Frage auf, welche Aufgaben daraus für die Schule erwachsen und wie Sprachreflexion gewinnbringend in den Unterricht eingebunden werden kann.
Darüber nachzudenken, wie Menschen kommunizieren, ist komplex: Mündlich wird der Leibkörper der Handelnden im Zusammenspiel mit der räumlichen und dinglichen Umwelt zum Kommunikationsmittel, schriftlich kommt die Semiotik unterschiedlicher fixierender Systeme wie Schrift- und Bildsysteme miteinander zum Einsatz, um fachliche oder ästhetische Bedeutungen herzustellen. Hier interessiert, wie wir uns mit Sprache auf die Welt beziehen und wie Bedeutungen zustande kommen, sowohl in der Flüchtigkeit von Interaktion als auch in der Fixiertheit von Literalität.
Quer zur Beschäftigung mit der kontextuellen Funktionsweise von Sprache steht die vergleichende Betrachtung von Einzelsprachen. Hier lässt sich untersuchen, wie verschiedene Sprachen zueinander in Bezug oder in Bezug zur aussersprachlichen Welt stehen. Wie organisieren sie ihre Mündlich-, wie ihre Schriftlichkeit? Wie entwickeln sich Sprachen und woher kommen sie?
Im Zusammenhang mit Sprachwandel und Sprachgebrauch stellt sich auch die Frage, wie es kommt, dass wir einander verstehen und worin Missverständnisse begründet liegen. Wie reagieren wir auf verschiedene Verwendungsweisen von Sprache(n) in unterschiedlichen Kontexten? Wie schaffen es Sprachbenutzer:innen also, sprachlich Einfluss auf die Welt zu nehmen und sie respektive uns sowie die soziale Wirklichkeit zu verändern?
Esther Wiesner & Carole-Anne Deschoux